15. bis Houston

Houston u. Charleston


Seetörn vom 21.4. bis zum 26.4.35  von Colon, Panama bis Houston U.S.A.

 

Ostern in See, aber wir sind alle schon eine Menge gewöhnt, da macht dieses auch nichts mehr aus. Die Kombüse und vor allem die Bäckerei muss in diesen Tagen schwer arbeiten, damit die Besatzung ein anständiges Osteressen bekommt. Wir arbeiten an den beiden Festtagen bis spät abends, weil noch hinterher Brot gebacken werden muss. Also kann von Festtagsstimmung keine Rede sein, genau wie Weihnachten.

Am zweiten Ostertag war ein Sportfest auf der Schanze, natürlich im Rahmen der Möglichkeiten. Zugleich passierte in der Maschine ein großer Versager. Ein Ölbunker war leer gefahren und durch Unaufmerksamkeit des Maschinenpersonals nicht rechtzeitig umgeschaltet worden. Die Folge davon war, dass wir über eine halbe Stunde vollkommen still lagen. So Passierte weiter nichts. Die Folgen aber wären nicht auszudenken gewesen, wenn dasselbe im Sturm und dicht unter Land passiert wäre.

Zwei Tage später überraschte uns eine urplötzlich auftretende Bö. Nur durch Beidrehen des Schiffes wurde verhindert, dass unsere Sonnensegel nicht in Fetzen davonflogen sondern noch rechtzeitig geborgen werden konnten. Am Nachmittag waren wir Zeuge eines kurzen Gewitters, das nicht allzu weit von uns nieder ging. Scheinbar sind solche Gewitter in See äußerst selten, denn es ist das erste, das ich beobachten konnte. Die See hat ganz überraschend ihr Aussehen verändert. Lange und tiefe Wogen werden vom Regen gepeitscht und de Blitze zucken zischend ins Wasser. Genau so rasch wie es entstanden war, verschwand das Gewitter auch wieder.

Im Rahmen der Klarschiffübungen werden die Gefechtsbilder immer interessanter, weil nun die erste Zeit der Einführung vorbei ist, dass nun die Übungen so wahrscheinlich wie möglich gestaltet werden.

Das Wetter ist gleichmäßig ruhig. Von den gefürchteten wechselnden Winden merkt man nichts. Die könnten auch nur Seglern gefährlich werden aber nicht uns.

Fast wie bei der Einfahrt nach Colon fuhren wir erst einige Stunden durch einen Kanal, aber ohne Schleusen, und machten um zwei Uhr nachmittags an der Pier in Houston fest.

Houston 26. April 35

Das erste, was mir unangenehm an der Pier auffiel, waren einige Neger, die hier mit den Händen in der Tasche herumlungerten. Es waren nicht gerade diese, über die ich mich ärgerte, sondern es ist eine Feststellung, die ich seit etwa zwei Monaten mache. Sobald ich farbiges Volk sehe, ärgere ich mich darüber. Ich weiß nicht, warum. Sie machen mich durch ihre bloße Anwesenheit krank, obwohl sie mir nichts tun oder getan haben.

Die eigentliche Stadt Houston liegt etwa 12 Meilen vom Hafen. Ich hatte keinen Cent, um mit dem Bus zu fahren. So vertraute ich meinem guten Stern und ging zu Fuß. Schon nach wenigen Schritten hielt ein Wagen und pickte mich auf, wie man so in Amerika dafür sagt. Es führen einige Straßen vom Hafen nach Houston. Wir fuhren den 'Harrisburgh-Boulevard' entlang, der größten Straße. Auf beiden Seiten standen die Häuser und zahllose Tankstellen, als ob es schon die Stadt war, aber von der sah man noch nichts. Wie so viele neue amerikanischen Städte ist auch Houston nach dem Geschäftsstandpunkt gebaut, kahle nüchterne Bauten ohne jede persönliche Eigenart. Dass die Häuser im Zentrum 30 und 40 Stock hoch sind, imponiert auch nicht weiter. 

Abends waren im 'City-Auditorium' öffentliche Ringkämpfe. Ich muss sagen, so etwas von grobem Bluff habe ich noch nicht gesehen. Da werfen sich die Männer auf die Matte oder aus dem Ring, dass es nur so kracht. Sie treten sich vor den Bauch, boxen, wohin es immer trifft und zum Schluss gehen sie aus dem Ring als ob nichts war. Aber der Mann, den das Publikum zum Sieger will, trägt den anderen als toten Mann in seine Kabine. Bei einem Kampf wurde sogar einmal der Niedergeschlagene zum Sieger erklärt, weil er Publikumsliebling war. Der Ringrichter musste ihn sogar aufheben und stützen, um ihn zum Sieger zu erklären. Der Gegner stand in seiner  Ecke, vollkommen frisch und wutschnaubend, jedenfalls tat er so. Ich habe mich wirklich gut bei diesen 'Sportkämpfen' unterhalten.

Houston 27. April 35

In der Halle, wo gestern die Ringkämpfe stattgefunden hatten, war heute ein Tanzabend für uns. Um acht Uhr sollte er beginnen. Ich ging aber schon rechtzeitig mit einigen Kameraden zur Stadt, um möglichst noch einige Leute kennen zu lernen, denn mittlerweile waren uns die Devisen ausgegangen und waren gezwungen, auf möglichst anständige Art durchzukreuzen. Im 'Rhatskeller', einem Lokal mit deutschem Besitzer, tranken wir uns eine kleine Anfangsgeschwindigkeit an und gingen dann auf Entdeckungsfahrt. Auf der Mainstreet sprach uns ein Amerikaner an und wir sagten nicht nein, als er uns zu einem Drink einlud. Schon waren wir eine Treppe tieferund nahmen einen kräftigen Schluck aus seiner Whisky- und Ginflasche. Der Whisky war höllisch scharf, deshalb hielt ich mich mehr an den Gin, weil er süßer war.

Zufällig waren wir gerade im höchsten Gebäude Houstons. Also fuhren wir nach oben, um einen Überblick der Stadt zu gewinnen. Wir hatten den berühmten Blick vom Wolkenkratzer. Die Straßen wirkten so schmal, die Autos und Menschen so klein. Wir sahen sogar unseren Eimer an der Pier liegen. Außerdem können wir den Ruhm für uns in Anspruch nehmen, hier an höchster Stelle betrunken zu werden, denn das waren wir, als wir nach unten kamen. Aber wir rissen uns zusammen und besuchten noch die Houstoner Radiostation. Nur zwei Mann werfen das ganze, übliche Tagesprogramm. Der Amerikaner war schon ausgefallen. Hübsch fein, von uns in eine Ecke gestaut, schlief er seinen Rausch aus. Er hatte mir noch seine hübsche Krawatte geschenkt, die ich aber später verloren habe. Wir hatten aber auch die Wirkung des Gesöffs unterschätzt, und auch bei uns blieb die Wirkung nicht aus. Ich hatte am meisten getrunken und am schwersten zu kämpfen. Unter diesen Umständen war es zwecklos, noch länger in der Stadt zu bleiben. Wie die Kameraden mir am nächsten Tag erzählten, habe ich später nur noch englisch gesprochen und meldete mich sogar englisch an Bord. Wie schon so oft hatte ich auch diesmal eine Menge Dusel.

Houston 28. April 35

Etwas Pech hatte ich aber doch. Weil ich heute nur mit Mühe und Not meinen Dienst machte, verdonnerte mich der Küchenbulle zu einer Kombüsenwache. Es war zwar Sonntag, aber in Anbetracht meiner Verfassung war es mir ziemlich egal, was mit mir geschah. Nachmittags kamen eine Menge Leute an Bord. Ich lernte zwei nette Mädchen kennen, die mich für morgen in ihr Heim einluden. Es sind zwar Amerikanerinnen, aber ich werde mit meinem Englisch schon klar kommen. 

Houston 29. April 35

Wie verabredet war ich schon um drei Uhr bei Glee und Charleene. Bei Vonbordgehen hatte ich Glück, dass ich gleich aufgepickt wurde, also dadurch pünktlich bei den beiden sein konnte. Die beiden Mädels bewohnen beide ein Haus und haben nur noch eine Frau, die ihnen im Haushalt hilft. Sie hatten alles sehr hübsch und mit Liebe gemacht und ich war wieder einmal so richtig in meinem Element. Sie sind Studentinnen und besuchen die Hochschule in Houston. Die Eltern haben 150 Meilen von Houston entfernt eine große Ranch, und die Mädels sind hier in jeder Hinsicht unabhängig. Wie man sich denken kann, war es wirklich sehr nett. Allerdings kam es später doch etwas anders als geplant, denn ich küsste zuerst Charleene statt Glee, obwohl ich doch Glee zuerst kennen gelernt hatte. Dennoch war ich bis spät in die Nacht bei diesen reizenden Kindern. Charleene brachte mich mit ihrem Wagen noch rechtzeitig an Bord. Mit einem langen Kuss verabschiedeten wir uns bis morgen.

Houston 30. April 35

Pünktlich um vier Uhr holten mich Charleene und Glee in ihrem sehr hübschen Wagen ab, und meine Kameraden machten natürlich große Augen. Wahrscheinlich haben sie noch nicht die rechten Leute kennen gelernt. In unserem Heim, denn so kann ich es wirklich schon nennen, tranken wir Kaffee und fuhren dann durch Houston und Umgebung. Zu ihren Eltern wollten wir nicht mehr hinaus, denn dadurch würden wir zu viel unserer kostbaren Zeit verlieren. Abends wiederholte sich das Spiel von gestern. Ich wundere mich im Stillen über Glee, weil sie tut, als ob sie nichts merkt. Gewiss, Charleene und ich sind sehr vorsichtig, aber ein Mädel ist doch immer sehr feinfühlig, besonders, wenn sie jemanden gern hat. Vielleicht glaubt sie, mich doch noch für sich gewinnen zu können. Trotzdem benahm sie sich tadellos, als ich mit Charleene früher als gestern Abend wegfuhr.   

Charleene Bradley

Houston 1. Mai 35

Heute machte ich bestimmt einen Fehler, dass ich wieder neue Leute kennenlernen wollte, denn besser und schöner kann ich niemals meine Stunden verbringen als bei meinen Freundinnen. Aber es ist schon so, geht es einem zu gut, wird man übermütig. Es ist schon immer mein Fehler gewesen, dass ich nicht auf eine Sache kozentriert bleiben kann. Darum habe ich mich auch in Kiel gewundert, dass ich so lange bei Annemarie geblieben bin und auch bleiben werde. 

Ich scheine diesmal wirklich Glück bei meinen Bekanntschaften zu haben. Beim Tanz im Gesangverein, übrigens der ersten Veranstaltung, die ich besuche, lerne ich gleich zu Anfang ein rassiges Mädel kennen, die dazu noch ein wenig Deutsch spricht. Molly ist ein richtiges Texasmädel, sportlich und voll Feuer. Ich unterhielt mich an diesem Abend auch sehr gut. Sogar die alten deutschen Tänze machten mir Vergnügen, denn der Zweck dieser Übung ist, dass auch andere Leute zusammen tanzen. Durch einen Trick tanzte ich doch jedes Mal mit Molly, worüber wir uns diebisch freuten. Bis zur letzten Minute blieben wir im Sängerbund. Dann fuhr Molly wie der Teufel, denn pünktlich an Bord musste ich auf jeden Fall sein, um mir nicht durch einige Minuten Zuspätkommen die nächsten schönen Tage zu verderben. Die Zeit langte noch zu einem langen Abschiedskuss. Ich glaube Molly freut sich genau so auf das Wiedersehen morgen wie ich.

Es ist wohl schmeichelhafter, mit zwei Frauen zusammen zu sein, aber so braucht man keine Rücksicht auf die andere zu nehmen. Trotz allem ist es doch eine Schlechtigkeit von mir, Charleene und Glee so gänzlich in Stich zu lassen.

Houston 2. Mai 35

Wie ich erwartet hatte, hatten Glee und Charleene gestern mehrfach nach mir gefragt und auch lange gewartet. warum haben denn die dummen Mädel nicht zwei von meinen Kameraden mitgenommen? Molly war heute sehr früh auf der Pier, und bald fuhren wir den schon gut bekannten Weg zur Stadt hinunter. In der Stadt machten wir Einkäufe, was uns auch viel Spaß bereitete, denn es ist doch ein einigermaßen ungewohnter Anblick, dass ein Seemann mit einem Mädel in jedes Geschäft geht, auch in spezielle Damengeschäfte. Ich machte große Augen, wie Molly mit dem Geld umging. Gewiss, ihr Vater ist reich, und sie hilft nur gelegentlich im Büro, wenn es ihr Spaß macht, aber sonst richtet sie ihren Tag nach Gutdünken ein. 

Abends besuchten wir ein erstklassiges Tanzkabarrett. Ich hätte nicht gedacht, dass Houston etwas Derartiges hat. Molly natürlich im großen Abendkleid, und ich staunte über ihr selbstbewusstes, damenhaftes Auftreten. So ist die amerikanische Frau, tagsüber sportlich und in der Nacht die große Dame. Mich konnte Molly natürlich nicht bluffen. Das wollte sie auch nicht, und ich glaube, mich neben ihr gut behauptet zu haben. 

Molly beichtete mir, dass sie Dienstag ihre dritten zehn Tage Gefängnis antreten muss. Alle drei Strafen bekam sie für ihr tolles Autofahren. Die Gesetze in Texas sind sehr streng und mit Geld ist da nichts zu machen, sonst würde Mollys Vater schon alles regeln. Die letzte Strafe hatte sie auf dem Heimweg bekommen, als sie mich zum Schiff gebracht hatte.

Die Nacht war recht kühl, aber uns machte das nichts. Wir drehten die Scheiben hoch und gleich war es angenehm. Hier zeigte sich Molly wieder von einer neuen Seite: erst als unerfahrenes Mädchen, dann als hingebungsvolle Frau, wunderbar. Ich werde sicher noch lange an Houston und Molly denken.

Houston 3. Mai 35

Heute war wieder der berühmte letzte Tag in einem Hafen gekommen. Ich hatte verlängerten Urlaub genommen und überlegte nun hin und her, zu wem ich gehen sollte, zu Charleene und Glee oder zu Molly, denn auch gestern hatten wieder die beiden gewartet und nachgefragt. Ich kann es nicht verstehen. Ich wollte es dem Zufall überlassen. Molly kam zuerst, und ich fuhr mit ihr. Sie wusste natürlich auch, dass heute unser letztes Zusammensein war, aber wir taten so, als ob nichts wäre. Wir haben viel gemeinsam, sogar unsere Geburtstage sind dieselben. 

Für eine kurze Stunde besuchten wir Mollys Eltern. Sie freuten sich, mich kennenzulernen. Der Vater ist der typische amerikanische Geschäftsmann und die Mama eine rechte Repräsentationsfrau. Das Haus ist großartig und mit allem Komfort ausgestattet. Wir unterhielten uns sehr angeregt, aber Molly drängte, mit mir wieder loszufahren. Die Eltern hatten Verständnis dafür. Wir besuchten eine Menge Lokale, und überall nahmen wir einen Cocktail. Man musste natürlich aufpassen, nicht zu viel davon zu trinken, weil es so gut ist. Wir nutzten unsere Zeit bis zur letzten Minute, damit keine rührselige Abschiedsstimmung aufkommen sollte.  Auf der Pier ein kurzer Gutenachtkuss und schon wurde es Zeit für mich an Bord zu gehen.

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