3. bis Rio de Janeiro mit Äquatortaufe

Brasilien u. Rio de Janeiro


In See 21. Nov. 34

Der Grund für die frühe Ausfahrt von Port of Spain ist, dass wir nun den Hafen von Fernando Noronha nicht anlaufen sondern gleich nach Rio de Janeiro gehen und den schönsten Hafen der Welt kennen lernen. 

"Rio", ein Zauberwort für alle, die Rio kennen und vor allem für die, die den schönsten Hafen der Welt kennen lernen werden. Es ist doch etwas anderes, wenn man weiß, eine Weltstadt winkt als Ziel oder ein ödes Nest. Diese Stimmung wirkt sich auf alles aus, auf den Dienst und auf die Freizeit.

 

In See 22. Nov. 34

Zwei Tage nach der Ausfahrt habe ich mit der Seekrankheit zu kämpfen, ganz gleich, ob das Schiff schlingert oder nicht. Es gibt kein Mittel dagegen. Bei nüchterner Betrachtung muss ich heute feststellen, dass mein Tun und Lassen an Land keinen Gedanken an die Heimat beeinflusst. Ich freue mich darüber.

 

In See 23. Nov. 34

Wir nähern uns dem Äquator und damit auch der berühmten Linientaufe. Überall wurde heimlich gearbeitet und nur durch Zufall bekam man hier und da ein Stück zu sehen, das von Neptuns Hofstaaat getragen wurde. An den Befehlstafeln hängen in kurz wechselnden Zeitspannen die berüchtigten Unterwassertelegramme aus dem Kristallpalast. Sie geben bekannt, dass dem armen Sünder, der durch ein unvorsichtiges Wort, oder sonst etwas gegen Neptun und seinen Getreuen der "Sonderfall" zudiktiert worden ist. Das bedeutet nichts anderes, als dass der Unglücksrabe bei der Taufe besonders "verarztet" wird. 

Das Wetter ist merkwürdigerweise ziemlich frisch und kühl trotz der Äquatornähe. Alte Seefahrer behaupten, dass es immer so bei der Linie ist.

 

In See 24. Nov. 34

Neptun ließ sich heute durch seinen Admiral Triton für kommenden Montag anmelden. Er wurde mit allen Ehren, die einem Admiral zukommen, empfangen. Nur auf den Salut wurde verzichtet, weil der hohe Herr das Knallen nicht vertragen könne. Der Admiral schritt die Fronten ab, begleitet von seinem Adjutanten und seinem Bootsmaat der Wache, sowie zwei Negern, alle phantastisch aufgeputzt. Die Neger hatten die Aufgabe, Pillen zu verteilen und nebenbei die Gesichter mit Schuhkreme zu verschönen. Letzterem kamen sie mit besonders liebevoller Sorgfalt nach und mancher kannte sich späterhin kaum im Spiegel wieder. 

Bei "Alle Mann Achteraus" überreichte der Admiral dem Kommandanten ein Schreiben von Neptun. Der Käpten dankte seiner allerfeuchtesten Majestät nebst Gattin in wohlgemessenen Worten und ließ durch Admiral Triton seiner Majestät sagen, wie angenehm der Besuch wäre.

Ein besonderes Vergnügen war für uns zu sehen, wie der Admiral unserem Alten jovial auf die Schulter klopfte und des Öfteren "mein lieber Lüdjens" zu ihm sagte. In Wirklichkeit ist der Admiral ein Obermaat. Durch die Ansprache wurde Triton durstig und verlangte nach einem Schluck Seewasser. Diesen hatten wir nicht an Bord, dafür aber Bier. Der Admiral war nicht abgeneigt. Als er und seine Begleiter von Bord gingen, waren sie ganz toll bezecht und fanden kaum den Weg zum Chefboot "Schweinsfisch".

 

In See 25. Nov. 34

Heute ist Totensonntag. (daher keine Linientaufe) Beim Gottesdienst sagte unser Pfarrer, der nebenbei auch ein "Sonderfall" ist, sehr schöne Worte über das Sterben und das Verhältnis des Soldaten dazu. Am Nachmittag passierten wir den Äquator. Im Schiff wurde ausgepfiffen "Steuerbord voraus Linie in Sicht", aber man sah nur verständnisvoll lächelnde Gesichter und keiner fiel darauf herein.

Wir fahren immer an Südamerikas Küste entlang. Zusehen ist sie aber nicht. Auch in der Höhe des Amazonasstromes waren keine Veränderungen im Wasser zu bemerken, was man doch bei der Größe dieses geheimnisvollen Flusses annehmen könnte. Es weht weiterhin ein frischer Wind.

 

In See 26. Nov. 34

Der große Tag der Linientaufe ist nun da. Um 9 Uhr erschien Neptun nebst Gattin Thetis und Gefolge, als da sind, der Barbier, der Zahnarzt, der Astronom, der Aktuar, der Pastor, der Polizeihauptmann nebst Polizisten und die vielen Trabanten und Neger. Natürlich fehlte auch Admiral Triton nicht. Feierlich schritt Neptun mit langem wallenden Barte und dem Dreizack in der Linken die Front ab. Am rechten Arm führte er Tethis, seine herrliche Gemahlin, angetan mit seidenen Gewändern und sonst allem, was zu einer Frau gehört. - Ich möchte gerne wissen, woher die ganzen Sachen stammen, denn bei unsererAusfahrt haben wir nichts dergleichen an Bord gehabt. Voran schritt die Musik, ein ganz merkwürdiges Konzert aufführend. Dann folgten die vielen Angehörigen des Hofstaats.

Am unangenehmsten machten sich die Polizisten und Neger bemerkbar. Diese teilten Hiebe aus, wenn sie lächelnde Mienen sahen. Jene "arbeiteten" wieder mit großen Mengen Schuhfett. Als etwas Neues verteilten sie "Schnäpse", reinstes Torpedoöl. Im Topp flatterte Neptuns Herrscherstander, gelb gerändert mit einem Dreizack, noch ganz nass, weil doch eben erst der Meeresgott seinen Fluten entstiegen war.

Unser Anzug war nur eine Sporthose. Man sah manches blasse, aber gefasste Gesicht.  Auf der Schanze war ein Thron mit Baldachin errichtet worden. Auch das Taufbecken und der Luftsack, durch den die Täuflinge kriechen mussten, war nicht zu übersehen. Neptun hielt, nachdem er sein Volk sich um ihn gruppiert hatte, eine Rede in dichterischer Form. Er bewillkommente uns und brachte dann weiterhin seine Freude über den Besuch  unseres, eines deutschen Kriegsschiffes zum Ausdruck. Bei der Ordensverteilung für Offiziere und Oberfeldwebel wurde in manch launigen Versen die Schwächen ihrer Träger ironisiert.

 

Dann ging es an den Hauptspaß des Tages, an die eigentliche Taufe. Ein Spaß natürlich für die Zuschauer, für die Täuflinge entschieden weniger. Auf den Rand des Taufbeckens gesetzt, in dem schon freudestrahlend die Neger planschten, wurde der Ärmste mit einem großen Schrubber eingeseift, rasiert, frisiert, gekämmt, der "altbacksche" Zahn wurde gezogen, Pillen in den Schlund gesteckt, ein großer Löffel Torpedoöl darüber gegossen und der Mund mit einem Schlag Senf geschlossen. Noch nach Luft ringend, flog er durch einen kräftigen Stoß rücklings ins Becken. Hier nahmen ihn die Neger in Empfang. Auf und nieder ging es, bis ihm Hören und Sehen verging. Dann wurde das Würmchen, denn das war er inzwischen geworden, durch einen kräftigen Schwung in den Luftsack befördert, begleitet vom scharfen Strahl des Feuerlöschschlauches. Wenn auch sonst nie Druck auf der Leitung war, hier aber todsicher. Hatte er sich nun durch diesen engen Apparat gearbeitet, so war der Empfang auf der anderen Seite auch der Stahl eines Feuerlöschers. Ganz benommen taumelte der Täufling herum, bekam dann zur Stärkung, die wirklich nötig war, einen guten Schnaps und die Sache war überstanden. Man war aber auch derartig "fertig", dass man nichts mehr sehen und hören wollte und nur nach Ruhe verlangte.

Bis so etwa 300 Mann getauft sind, war es Nachmittag. Der Durst aller war sehr groß geworden, und das Fest endete mit einer großen "Saufing". Seine allerfeuchteste Majestät ging heimlich und leise von Bord, damit die schwere Schlagseite nicht so bemerkt wurde. Ja, wenn man nur Seewasser zu trinken gewöhnt ist, soll man mit deutschem Bier vorsichtig sein!

Das Wetter war wieder tropisch geworden, und glühend brannte die Sonne aufs Wasser, das die Strahlen noch verstärkte.

 

 

In See 27. Nov. 34

Der Dienst ging in seinen altgewohnten Formen weiter. Die Sonne stand fast senkrecht am Himmel und ihre Strahlen brannten, dass es fast körperlich weh tat. Leute mit empfindlicher Haut hatten im Augenblick einen Sonnenbrand, der nach kurzer Zeit in Blasen über ging. Etwas später ließ sich die Haut in Streifen abziehen.

Fliegende Fische tauchten auch wieder auf, während der Fahrt über den Äquator waren keine zu sehen.

 

In See 28. Nov. 34

Heute umfuhren wir die östlichste Ecke Südamerikas. Das Land war gut zu sehen. Durchs Glas war aber nichts weiter als Urwald auszumachen und im Hintergrund einige blassblau schimmernde Berge. Beim Loten hatten wir 57 m und einige Minuten später 3780 m. So rasch wechselte die Wassertiefe. Haie tauchten keine auf, wahrscheinlich fuhren wir zu schnell, etwas über 15 Seemeilen. 

Dieser Seetörn ist ungefähr 3500 sm, der längste, den wir bisher hatten. Die Stimmung an Bord ist gut, es fehlt uns auch an nichts, denn es freut sich alles auf Rio. Sonnabend laufen wir ein, bleiben aber leider nur 4 Tage im Hafen.

 

In See 29. Nov. 34

Die Hitze waar sehr groß, wir nähern uns auch einer der heißesten Gegenden der Erde, dem Hafen Bahia. Dort anzulaufen wird wohl wegen der Hitze kein Vergnügen sein. Das Wetter ist immer gleichmäßig schön. Es hat den Anschein, als wenn es hier nie Stürme geben könnte. Unser Kreuzer bewegte sich auch nur leicht in der Dünung. Nachts haben wir hier einen herrlichen Sternenhimmel. Leider kenne ich aber keine Sternbilder und kann mich deshalb nur so an diesem Wunderwerk der Natur, an dieser glitzernden Pracht freuen. 

Einige Frachtdampfer unter englischer Flagge kamen uns entgegen. Unwillkürlich dachte ich an die "Kaperfahrten" der alten "Karlsruhe" und der "Emden". 

 

In See 30. Nov. 34

Um Mittag stand die Sonne senkrecht über uns. Es sah merkwürdig aus, wenn nichts einen seitlichen Schatten warf. Gegen Abend wurde es plötzlich kühl, es regnete und leichter Seegang kam auf.

 

Rio de Janeiro 1. Dez. 34

Es war fast so, als ob Neptun uns noch ein wenig durchschaukeln wollte, ehe wir in den Hafen von Rio einliefen. Das Wetter ist schlecht. Regen und Wolken verdeckten die Schönheiten des Hafens, die bei Sonnenschein wohl recht zur Geltung kommen würden. Die Fahrstraße führt erst durch eine Reihe Palmen bestandener Inseln. Dann liegt auf einer größeren Insel die Festung, ein alter Bau und zur linken Rio.  Es ist eine Weltstadt. Man sah es schon an den vielen Dampfern und Seglern, die an den Kais und Bojen liegen. Die Schiffe der brasilianischen Flotte liegen teils an Bojen, teils in der Werft, sehen aber alle nicht gut aus. Es sind scheinbar ältere Schiffe der U.S.A.-Flotte. Einer der neuesten amerikanischen Kreuzer liegt an der Pier. Ein ganz harmonischer Bau. Nur stören die ziemlich wuchtigen Aufbauten der Flugzeugkatapultanlage. 

Die Stadt ist in ihrer ganzen Größe noch nicht zu übersehen, nur einige große Gebäude und Wolkenkratzer fallen besonders auf. Der "Zuckerhut", Rios Wahrzeichen, hatte sich in Wolken gehüllt und war nicht zu sehen. Wie ich in der "Deutschen Rio Zeitung" las, ist das schlechte Wetter Ausläufer eines schweren Sturms, der über Boenos Aires nieder gegangen ist.  

Auch wir machten an der Pier fest, seit einem Monat das erste Mal. Das deutsche Segelschulschiff "Deutschland" war auch gestern Abend hier eingelaufen. Es liegt aber weiter zurück, so dass wir es noch nicht gesehen haben.

 

Die Stadt ist großzügig angelegt, breite Straßen und Plätze und großartige Gebäude - auffallend die großen Königspalmen. An vielen Häusern sah man deutsche Flaggen, und ebenfalls gibt es uns zu Ehren schon eine Reihe Veranstaltungen in den deutschen Clubs. Ich zog aber einen Bummel mit einem Kameraden vor und nach kurzer Zeit hatten wir schon einige Deutsche kennen gelernt. Bei einem guten Glas Bier gab es viel zu erzählen. Die Zeit verging rasch. In den Kabaretts konnte ich feststellen, dass die brasilianischen Männer und Frauen sehr viel natürliche Tanzbegabung haben. Sie beherschten vor allem einen Tanz, den Maxixe. 

 Dann machten wir eine Fahrt im Auto durch die Straßen, durch Rios weltbekanntes Lasterviertel. Vor jedem Fenster und jeder Tür war ein leichtes Holzgitter fast wie in einem Harem. Die Mädels hielten sich in ziemlich entkleidetem Zustand - es ist ja warm - hinter diesen Gittern auf und versuchten mit leisen, zärtlichen Worten abendteuerlustigen Bummlern ihre Reize anzubieten. Manches rassige Gesichtchen konnte man erkennen. Diese Mädels stehen aber unter keinerlei ärztlicher Kontrolle und es besteht die Gefahr, sich irgendeine Geschlechtskrankheit auf den Hals zu laden. Eine Heilung unter tropischer Sonne ist immer sehr schwierig.

 

Rio de Janeiro 2. Dez. 34

Vormittags wurde am Denkmal irgendeines ollen Seehelden ein Kranz niedergelegt. Aber dass bei dieser Wärme Anzug blau befohlen war, war ein Unding. 

Mit einem Kameraden und Herrn Thon, ein Deutscher  in Brasilien geboren, besuchten wir  am Nachmittag den Tanztee beim deutschen Gesangverein "Lyra". Als es gemütlich wurde mussten wir weg, denn wir waren für die Abendveranstaltung des deutschen Clubs "Germanya" abgeteilt. Die Mitglieder scheinen Geld zu besitzen, denn sie haben sich ein wunderschönes Clubhaus gebaut. Es war sehr nett, aber mit Rücksicht auf meine deutschen Bekannten habe ich keine neuen Damenbekanntschaften gemacht.

 

Rio de Janeiro 3. Dez. 34

Die Leute waren wirklich aufmerksam. Um uns auch ein wenig von Rios Umgebung zu zeigen, machten sie mit uns eine Autotour von 3 Stunden. Es war eine sehr schöne Fahrt. Von verschiedenen Punkten hatte man einen herrlichen Ausblick auf Rio, aber die ganze Stadt ist wohl nur vom Flugzeug aus zu übersehen. Abends besuchten wir verschiedene Restaurants, Bars und auch ein Kino. Ich musste mir Mühe geben, wach zu bleiben, aber ein guter Kaffee half dem späterhin wieder ab.

 

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