Unermüdlich
mahlen die Schrauben das leuchtend blaue Wasser des
Atlantischen Ozeans.
Mit einer gleichbleibenden Geschwindigkeit von 14 Seemeilen in der
Stunde zieht der Kreuzer seinen einsamen Weg auf Kurs
197 Grad nach Süden seinem nächsten Hafen Rio de
Janeiro zu. Von Zeit zu Zeit tauchen aus dem Dunst des
westlichen Horizonts einige Erhebungen der Ostküste
Brasiliens auf und sind bald darauf wieder von dem Glanz
der glutenden Sonne verschluckt.
Die
Besatzung macht divisionsweise Dienst auf den
Gefechtsstationen, aus Offizierskammern und
Schreibstuben tackern die Mercedes- oder Ericamaschinen,
die Thermometersäulen stehen je nach Schiffsräumen wie
seit Tagen auf dem Strichen zwischen 80 und 52 Grad
Celsius und wo ein paar Männer einmal einige Minuten
des Ausspannens erwischen, dreht sich das Gespräch um
die Linientaufe, die sie vorgestern mit Neptuns und
seines Gefolges nachdrücklicher Hilfe überstanden
haben. Sein Berlinertum und seine Meinung über
Taufbecken und Windschlauch zugleich kundtuend, fasst
der Schiffsarzt die Angelegenheit zusammen in den
Worten: ,,Dat war nich scheen!´´
Und
doch war’s schön. Mit Spannung warten jetzt die vom
Schmutz der nördlichen Halbkugel gereinigten auf den
vom Meeresgott eigenhändig unterschriebenen Taufschein,
der ihnen Schutz und Hilfe der Tritonen und der anderen
Bewohner des Kristallpalastes für alle künftigen
Fährschiffe ihres Seemannslebens zusichert.
Bei
den Azoren
Der
viertätige Aufenthalt des Kreuzers in Rio des Janeiro ist unter Änderung
des ursprünglichen Reiseplans nachträglich vom Chef der Marineleitung
verfügt worden, um den Wünschen der vielen in Brasilien lebenden
Deutschen zu entsprechen. Diese zweitgrößte Stadt Südamerikas wird
wahrscheinlich erheblich höhere Ansprüche an die Besatzung stellen, da
es die beiden bisher von uns angelaufenen Häfen Ponta Delegada und Port
of Spain getan haben.
Der
erste ist zugleich Hauptstadt der Insel Sao Miguel, welche mit acht
anderen größeren Inseln und einigen Klippen die Azorengruppe bildet.
Diese ist schon den Phöniziern bekannt gewesen, war dann lange Zeit
vergessen und wurde erst 1431 wieder entdeckt durch den Portugiesen
Gonzales Belho Cabral, dessen Begleiter ihr wegen der vielen dort
horstenden Habichte den Namen Acores (Habichtsinseln) gaben.
Sie
sind gebirgig bis zu 2320 Metern, durch
tiefe Schluchten zerrissen und ihr durchaus vulkanischer Ursprung äußert
sich heute noch häufig in heftigen, zum Teil unterseeischen Erdbeben.
Die
Azoren haben infolge ihrer subtropischen Lage und des Einflusses, den der
Golfstrom ausübt, ein gleichmäßig mildes, gesundes, aber oft recht stürmisches
Ozeanklima, in dem Frühgemüse und Bananen ausgezeichnet gedeihen. Ein
bedeutender Teil der Ausfuhr wird durch die Früchte des Ananas
bestritten, die in Glashäusern gezogen werden.
Das
Land befindet sich überwiegend in den Händen weniger Großgrundbesitzer,
welche es an Kleinbauern verpachten. Tiefes Feudalsystem ist in der
Bodenbewirtschaftung verblieben aus den Zeiten der ersten Ansiedler, die
als flämische Edelleute unter Isabella von Burgund auf die Inseln kamen.
Die
1700 Kilometer von Portugal entfernt auf einem Viertel des Weges nach
Nordamerika liegenden Azoren haben eine große strategische Bedeutung und
waren während des Weltkrieges Stützpunkt
der amerikanischen Kriegsschiffe. In Zukunft werden die Inseln noch
eine bedeutende Rolle in dem von der Deutschen Lufthansa und von anderen
Luftfahrtgesellschaften geplanten Flugverkehr zwischen Europa und
Nordamerika spielen.
Von
den Bewohnern dieser gastlichen Eilande, welche die
berühmten Azorenhochs unserer abendlichen
Rundfunkwetterberichte herstellen, sind wir in jeder
Hinsicht nett und zuvorkommend aufgenommen worden,
während wir ihnen mit unserem Besuch eine freundliche
Abwechslung in ihr sonst ziemlich einförmiges Dasein brachten.
Gedenken
an die erste Karlsruhe
Die mit Gefechts- und
Divisionsdienst reichlich ausgefüllten Tage der Reise über den weiten
Atlantischen Ozean bis zur Nordostküste Südamerikas rollten in militärischem
Gleichmaß an. Ein ganz besonderes Ereignis jedoch brachte einige hundert
Seemeilen vor Trinidad der 14. November, an dem der Kommandant mit der
ganzen in Divisionen angetretenen Besatzung eine erhebende Gedenkfeier für
unsere erste ,,Karlsruhe´´ und ihre im Weltkriege gefallenen Soldaten
abhielt.
Da es der
,,Karlsruhe‘‘ nicht beschert war, wie die ,,Emden‘‘ ihren
Untergang im Gefecht mit feindlichen Streitkräften zu finden, ist der
Name im deutschen Volk weniger bekannt als der dieser anderen Vertreterin
des klassischen Kreuzerkrieges. Mit Unrecht, denn beider Taten stehen
ebenbürtig nebeneinander und ihre Gesamterfolge erreichten ungefähr die
gleiche Höhe. In der Zeit vom Kriegsausbruch bis zum 26. Oktober 1914
versenkte die ,,Karlsruhe‘‘ in süd- und mittelamerikanischen
Gewässern 14 feindliche Dampfer und verwendete drei weitere als
Hilfsschiffe für ihre eigenen Nachschubzwecke. Der von ihr vernichtete
Schiffsraum betrug rund 77000 Bruttoregistertonnen.
Mitten n seiner so
erfolgreichen Tätigkeit erlitt der Kreuzer am 4. November 194 ein
eigenartig tragisches Geschick, als er gegen 18.30 Uhr, gefolgt von seinen
Begleitdampfern ,,Rio Negro‘‘ und ,,Indrani‘‘ mit nordwestlichen
Kurs einem neuen Kriegsgebiet zustrebte.
In der gleichen Stelle
des Ozeans, an der wir jetzt unseren Kameraden des Schwesterschiffes die
Gedenkfeier hielten, fand vor zwanzig Jahren auf ihm eine heftige
Explosion unbekannter Ursache statt, der noch mehrere schwächere
Detonationen folgten. In der Höhe der Kommandobrücke, so berichtet das
amtliche Seekriegswerk, schlug eine schwarze Qualmwolke, gefolgt von einer
hohen Feuersäule aus dem Deck. Das ganze Vorschiff wurde
angerissen und versank nach Backbord abbrechend nach kurzer Zeit.
Mit ihm gingen der Kommandant, Fregattenkapitän Erich Köhler, der
Wachhabende Offizier und 261 Unteroffiziere und Mannschaften in die Tiefe.
Der Rest der Besatzung konnte dank der Anwesenheit der beiden
Begleitschiffe gerettet werden. Kurz nach dem Absetzen des letzten Bootes
schoss 27 Minuten nach der Explosion auch das Hinterschiff der
,,Karlsruhe‘‘ vor den Augen der Überlebenden in die Tiefe und versank
auf etwa 4000 Metern Wasser.
Sa hinunter senken wir
unseren toten Kameraden nach der begeisternden Ansprache unsere
Kommandanten unter den Klängen des Liedes ,,Ich hab‘ mich ergeben"
ein großes Eisernes Kreuz mit einem Lorbeerkranz nach und gedachten
einige Minuten in ehrfürchtiger Stille der Schläfer, die dort unten von
ihren Taten ausruhen.
Die scharfen Klänge des
Deutschland- und Horst-Wessel-Liedes rufen uns, deren Blick vom Wasser auf
die im Topp wehende alte Kriegsflagge gewandert ist in die Gegenwart und
zu unseren eigenen Aufgaben zurück. Seefahrt ist not.
Einen Tag später nimmt
die Stadt Port of Spain die dritte ,,Karlsruhe‘‘ freundlich auf und
zeigt ihren Soldaten mit dem westindischen Pflanzenwuchs und dem
interessanten Leben und Treiben ihrer sehr vielfarbigen Bevölkerung das
typische Bild einer blühenden Kolonie des englischen Weltreichs.
Eine Besonderheit der
Insel Trinidad, deren Hauptstadt mit 62 000 Einwohnern unser Hafen Port of
Spain ist, bildet der berühmte Pitch Lake, ein See, der aus Sand und
Asphalt besteht, und aus dem man den Baustoff für Straßendecken
untermittelbar entnimmt. Schade, dass wir so etwas nicht bei uns zu Hause
für die Reichsautobahnen haben.
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