13. Acapulco (Mexiko)

Mexico     Panamakanal


Georgia-Strait, Pacific 22. März 35

Als äußeres Zeichen, dass es nun der Heimat zu geht, haben wir das Land von Vancouver bis zum Schlusshafen von Amerika jetzt immer auf der Backbordseite. Bis jetzt hatten wir das Land zuerst immer auf der Steuerbordseite. Das uns schon bekannte Küstenbild gleitete wieder an uns vorüber und mancher hatte Lust, über Bord zu gehen und an Land zu schwimmen. 

Die Küste trat mehr und mehr zurück und gegen 12 Uhr waren wir auf der Höhe von San Franzisco, 35 sm lagen nun zwischen uns und der goldenen Stadt. Der Kommandant schickte ein Telegramm an die Spitzen der Behörden.

Pacific 23. März 35

Dienstag ist Divisionsbesichtigung, aber jetzt geht es schon mit der Dreherei los, vom Divisionsoffizier an und der Seemann muss nachher doch den Kram schmeißen. Auf Gegenkurs passierten uns zwei Kreuzer in langsamer Fahrt.

Pacific 24. März 35

Der größte Teil dieses Sonntags war ausgefüllt mit den berühmten Vorbereitentungen  für die Besichtigung. Spinde wurden ausgeräumt und schön vierkantig gestaut. Zeitweise sah unser Wohnraum aus, als ob die Russen gehaust hätten. Wenn dann mit viel Liebe und Mühe alles einigermaßen aussieht, ist es immer noch die Frage, ob der Kommandant sich das überhaupt ansehen wird. Aber trotzdem ist es kein Fehler, alles gründlich zu überholen, im Hafen wurde viel unterlassen, was eigentlich notwendig gewesen wäre.

Pacific 25. März 35

Das immer wieder verschobene Torpedoschießen fand heute statt.Von früh morgens bis zum Nachmittag flitzten die schlanken Stahlfische aus ihren Rohren. Unermüdlich sausten unsere Boote hinterher, um sie wieder einzufangen, denn so ein Torpedo ist eine sehr kostspielige Angelegenheit. 

Interessanterweise konnten wir zur gleichen Zeit auch die amerikanische Pacific-Flotte bei ihrem Manöver beobachten. Als Vorhut marschierten weit voraus auf beiden Seiten je 4 leichte Kreuzer, gefolgt von der eigentlichen Hauptkampfkraft, 12 großen, schweren Schlachtkreuzern und dem modernen Flugzeugmutterschiff "Saratoga". Sie wurde von 4 Zerstörern begleitet. Es war ein großartiges Bild, wie die Kolosse in langer Kiellinie an uns vorbeifuhren. Wir schossen beim Passieren des Flottenflagschiffes Salut. 

Das Wetter ist sehr gut, vor allem ist es wieder wärmer geworden.

Pacific 26. März 35

Wie ein geübtes Theaterspiel sollte die Divisionsbesichtigung vor unserem Kommandanten abrollen. Unser Käpten aber ließ sich nichts vormachen und brachte durch üerraschendende Zwischenfragen das Programm ins Wanken. Wenn z.B. bei der praktischen Seemannschaft irgendein Knoten oder Spleiß gezeigt werden sollte, stellte er sich daneben, sah genau zu und ließ sich dann die Sache noch genau erklären. Bei der Spindmusterung sah er sich unsere Kunstweke gründlich an. Manchen Seemann brachte er in Verlegenheit, wenn er wissen wollte, was hinter dem Kunstwerk verstaut war. Er war ganz zufrieden mit uns, und das freute einen denn ja auch. Den Abschluss bildete ein kleiner Bierabend, bei dem wir manches alte Lied ausgruben.

Pacific 27. März 35

Weil wir seit gestern wieder mit "Max und Moritz" im Zotteltrapp fahren und außerdem durch das Hin- und Herkreuzen viel Zeit verloren haben, gelang es unserem Tankdampfer 'Hansa' im Laufe der Nacht uns einzuholen und nun langsam vor uns her zufahren. 

Heute, nachdem der Kmdt. auch die andere seemännische Division besichtigt hatte, fasste er im Schlusswort nochmals zusammen, dass er ganz zufrieden mit uns sei und bei den nun beginnenden Klarschiffübungen keine Versager erleben möchte.

Die Küste war wie ein ganz feiner Strich zu sehen - nachts sind die Leuchtfeuer gut zu erkennen.

Pacific 28. März 35

Begünstigt durch das klare Wetter und dem ruhigen Seegang wurde für nachmittags ganz überraschend ein Scharfschießen für Flack-Maschinenwaffen angesetzt. Geschossen wurde auf Ballons, die wir steigen ließen. Außer den Spezialisten waren alles junge Leute an den Geschützen, die noch nie ein Scharfschießen mit diesen Kanonen gemacht hatten. Trotzdem klappte alles so ziemlich und es wurden auch einige Ballons herunter geholt. Es wurden Leuchtspurgeschosse verwandt, fabelhaft, mit welcher Geschwindigkeit sie nach oben sausten. Das Schießen soll nach Acapulco noch einmal wiederholt werde.

Golf von Kalifornien 29. März 35

Genau wie beim ersten Passieren bließ der Wind hier auch dieses Mal sehr frisch. 

Heute wurden die ersten Vorübungen zum "Klarschiff" gemacht. An den Geschützen wurde mit Gasmaske exerziert u.s.w. Dann musste auch "Klarschiff" in der Theorie durchgesprochen werden: die Kriegswachen und das angezogene Schlafen auf den Hängematten. Die stete Bereitschaft zum Gefecht ist wohl anstregender, bedeutet aber auch eine willkommene Abwechslung im gleichförmigen Wechsel zwischen Dienst und Wache. Vielleicht würden wir im Ernstfall anders darüber denken, wenn es dauernd so wäre.

Pacific 30. März 35

Die Wärme wird schon wieder recht drückend, aber für mich ist es viel angenehmer als die Kälte. Tropische Hitze, bittere Kälte und wieder heiße Zone - ich bin gespannt, wie sich dieser Wechsel des Klimas später einmal auswirkt.

Große Scharen von Tümmlern begleitete uns. Man konnte den Tieren lange zuschauen, ohne dass es langweilig wurde. 

Bald könnten wir aber wieder in einen Hafen einlaufen, denn wir sind immerhin schon zehn Tage in See. Man möchte doch die Beine wieder mal an Land stzen.

Pacific 31. März 35

Die Reinschiffvorbereitungen zum Einlaufen wurden getroffen.

Abends signalisierten wir lange mit einem brennenden Schiff, ohne eine rechte Verständigung zu erzielen. Scheinbar war es ein Engländer oder Amerikaner, die dauernd fragten: "WHAT SHIP -WHAT SHIP?" 

Obwohl das Schlafen an Oberdeck noch nicht erlaubt war, schlief ich in einem Kutter, was ebenfalls verboten ist - zwar schlecht und recht, aber immerhin an der frischen Luft, denn im Zwischendeck war es nicht auszuhalten. Die in Betrieb befindliche Maschine unter den Füßen und die Hitze von außen schaffen eine unerträgliche Temperatur.

Acapulco 1. April 35 (Mexiko) 

Ab heute arbeite ich wieder in der Bäckerei. Ich habe vom Brotbacken natürlich keine Ahnung und muss versuchen, die fehlende Semmeltechnik durch übereifrige Arbeit in etwas auszugleichen. Ganz gelingt es mir nicht, aber ich hoffe, mit der Zeit schon das Fehlende zu erlernen.

Das Einlaufen in die Bucht und in den Hafen von Acapulco geschah in der gewohnten Weise: Salut, Aufstellung der Besatzung u.s.w. Ich selbst sah nicht viel, denn wir waren mitten in der Arbeit, aber als ich späterhin einen Blich zum Land tat, sah ich gleich, dass es einer der kleinen Kanackerhäfen war, die wir schon einige Mal angelaufen haben. 

An Land auch das gewohnte Bild aus den tropischen Ländern, niedrige Häuser, Händler mit ihrem Krimskrams und Menschen in ihren malerischen Trachten. Eigentlich ist es merkwürdig, je zerrissener und verwegener so ein Bursche aussieht, desto besser passt er in den Rahmen des Ganzen. Es ist eben das, was die berühmte malerische Wirkung hervorbringt. Wenn man näher hinsieht, merkt man doch, dass es Dreck und Schmutz ist. 

Auf einer kleinen Anhöhe liegt die sechshundert Jahre alte Festung. Sie sieht auch entsprechend aus. Ich wundere mich nur, dass die Besatzung unseren Salut überhaupt erwidern konnte. Die Wohnungen der Soldaten sind die reinsten Erdhölen, aber scheinbar fühlen sich die Leute trotzdem wohl.

Acapulco 2. April 35

Die Abordnung nach Mexiko City ist schon früh abgefahren. Es sind alle Kadetten und ein Teil der anderen Mannschaft abgeteilt worden. Die Leute haben eine lange und langweilige Fahrt vor sich. Dreimal müssen sie über die Hochkordileren fahren, dazwischen liegt Wüste. Der erste Höhenzug der Kordileren schließt die Bucht von Acapulco wie einen Kessel ein. Unser Schiff wirkt inmitten der Bucht und der gewaltigen Berge wie ein kleines Boot. 

Von den Deutschen, die mit den Autobussen für unsere Abordnung gekommen sein sollen, merkt man nichts. Ich vermisse sie auch nicht, denn ich habe den wunderschönen Badestrand entdeckt und werde die Gelegenheit auch reichlich ausnutzen. Ich kann nämlich jeden Tag an Land gehen, während die seemännischen Backbord- und Steuerborddivisionen für die Kadetten einen über den anderen Tag Wache gehen müssen. 

Das Wetter ist wunderbar und das Baden direkt ein Genuss. Dass an der Stelle, wo man vor kurzem noch geschwommen hat, ab und zu noch ein Hai auftaucht, wird nachher direkt zur Gewohnheit. Denn wenn eine Dreieckflosse auftaucht, bleibt man eben etwas näher unter Land. Da kann der Hai nicht heran kommen.

Mit einem geborenem Mexikaner, der während des Krieges in Deutschland war und auch dort erzogen worden ist, habe ich mich so interessant wie selten unterhalten. Wir kamen vom Krieg und der deutschen Geschichte auf Rauschgifte, Opium, Kokain u.s.w. Daneben bot er mir original mexikanische Getränke und Schnäpse an. Jeder hat sein besonderes Zeremoniell. Bei einem muss man z.B. etwas Salz vom Handrücken nehmen, danach einem kleinen Schluck von dem Getränk und dann sofort ein Stückchen Zitrone saugen. Großartig, wenn man auf den Geschmack gekommen ist. Nur muss man recht vorsichtig sein, um nicht plötzlich auszufallen.

Acapulco 3. April 35

Das Wetter ist immer gleichmäßig schön und warm. Gleich, nachdem ich von Bord war und den Strand erreicht hatte, zog ich mich aus und packte die Uniform in eine Tasche. Mit Sandalen, Badeanzug, rotem Halstuch und vor allem mit einem großen Strohhut lief ich am Strand lang, bis ich meinen gewohnten Platz erreicht hatte. Tagsüber sind sehr wenig Leute draußen. Sie halten wohl Siesta in ihren Häusern. Erst gegen Abend, wenn eine leichte Briese von See etwas Kühlung bringt, wird es belebter. 

Wunderschön war auch der Rückweg. Vom vielen und langen Baden lag so eine wohlige Müdigkeit in den Gliedern. Wenn ich dann so ganz gemütlich am Strand längs bummelte, die Sonne langsam hinter den Kordileren unter ging, der Mond immer deutlicher hervortrat und die Palmen leise rauschten, dann holte ich oft tief Luft und sagte zu mir: Junge, genieße das, was sich an solch landschaftlichen Bildern dir bietet, mit vollen Zügen und offenen Sinnen. Später werde ich bestimmt gerne an diese Stundenam Strand von Acapulco zurückdenken.

Acapulco 4. April 35 

Die deutsche Schule, die von Mexiko City nach Acapulco gekommen ist, ist jeden Tag an Bord und fühlt sich schon recht wohl. Mir kommen alle Jungens und Mädels recht verwöhnt vor, wahrscheinlich sind es Kinder reicher Eltern. Ich gehe auch immer früh von Bord und komme also kaum mit ihnen zusammen. Ich versuche zu ergründen, warum es mir hier so ausnehmend gut gefällt. Ich glaube, es kommt daher, dass ich mich in den Stunden an Land so recht als mein eigener Herr fühlen und auf mich selbst besinnen kann. Obwohl doch Acapulco nichts an Vergnügungen bietet, könnten wir meinetwegen noch recht lange hier bleiben. An Bord wird fast jeden Abend ein Tonfilm gezeigt: Hitlerjunge Quex, Morgenrot u.s.w. Den Deutschen gefallen sie sehr gut, und auch ich sehe sie gerne noch mal an.

Acapulco 5. April 35

Das ruhige Leben dieses kleinen Hafenstädtchens wirkt sich auch auf den Bordbetrieb aus. Dazu kommt wohl, dass ein großer Teil der Besatzung fehlt, aber sonst geht alles so gemütlich zu wie nie. Man hört nichts von dem üblichen, militärischen Rabatts, den ich im Grunde nie habe leiden können. Tagsüber, wie sonst Sonne und Meer und abends machte ich einen kleinen Streifzug durch Acapulco. 

Der Brennpunkt des Lebens, wenn man überhaupt davon sprechen kann, spielt sich am Markt und an der Kirche ab. Mit der elektrischen Beleuchtung ist es nicht weit her. Aber gerade das Kerzenlicht, das auf den kleinen Tischen steht, auf denen die Leute ihr Abendbrot einnehmen und das auch bei den Handelsständen ein spärliches Licht verbreitet, schafft diese einzigartige, romantische Atmosphäre. Dazu kommt noch dieser Menschenschlag und diese malerische Aufmachung, breite Gürtel mit Revolvern, große Sombreros und natürlich auch das rote Halstuch. Es ist in Mexiko nicht schwer, die Lizenz zum Tragen einer Waffe zu bekommen. Für fünfzig oder sechzig Pesos kann man jede Art von Revolvern an den Gürtel hängen.

So klein Acapulco ist, es hat aber auch seinen Heiratsmarkt. Um den Musikpavillon, der sicher der Stolz seiner Einwohner ist, promenieren beim Dämmern die Burschen rechtsherum und die Mädels linksherum. Wenn dann zwei aneinander gefallen finden, dann ist es meist auch nicht weit bis zur Heirat. Das geht überall in Südamerika recht schnell.

Acapulco 6. April 35 

Vom deutschen Haus, oder besser gesagt 'Casa Alemana',  hatte man mir viel erzählt. Also ging ich heute nach dem Baden hin, um zu sehen, was so anlag. Natürlich war es nichts besonderes. Man konnte wohl eine einigermaßen kalte Flasche Bier trinken, aber sonst gab es nicht einmal ordentlich was zu essen. Die Seeleute ließen sich alle das Lieblingsessen der Marine, Eier mit Speck und Bratkartoffeln, machen. Für den Betrieb war die kleine Küche nicht eingerichtet. Ich half ein wenig, und die dienstbaren, farbigen Geister rissen Mund und Augen auf, als ich die Kartoffeln fachmännisch durch  die Luft wirbeln ließ.

Die Lehrerin der deutschen Schule war in ihrer Art ein Unikum. In ihrer Besorgnis zählte sie jeden Augenblick ihre Mädels, ob nicht eine abhanden gekommen war und nicht vielleicht in einer dunklen Ecke mit einem Seemann herumschmuste. Ich habe mich jedenfalls mit allen anderen über dieses Original sehr amüsiert.

Acapulco 7. April 35 

Der letzte Tag in Acapulco und damit auch die letzte Gelegenheit sich noch einmal richtig auszuschwimmen. Schon früh machten wir Schluss, und kurze Zeit später ging ich schon meinen gewohnten Weg am Strand entlang. Ich hatte keinen Peso oder Centavo mehr, aber die Frau an der Kasse hatte mich scheinbar in ihr Herz geschlossen. Sie ließ mich so in den Umkleide- und Waschraum hinein und gab mir noch ein Stück Seife. Als ich abends an Bord kam, hatte ich die richtige Farbe, rotbraun, aber sie hält ja leider nicht zu lange. Wahrscheinlich werde ich trotz allem als Blassgesicht nach Hause kommen.

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