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12. bis Vancouver
Canada
u. Vancouver
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Pacific 14. März 35
Je mehr wir nordwärts kommen, desto
kälter wird es. Das ganze Schiff, vom Kommandanten angefangen, ist
erkältet und die dicksten Schals wurden heraus gesucht. Die
Berge werden höher und höher, bestanden von endlosen
Wäldern, meist Fichten und Tannen. Gegen Mittag verließen
wir die Küste und fuhren in die Juan Strait ein, die nach
Vancouver führt. In Höhe von Viktoria wurde Salut geschossen. Die englische Flagge
wurde gesucht, in letzter Minute gefunden und auf Steuerbord gesetzt, die
ganze Brücke war in Aufregung. Gegen 9 Uhr gingen wir vor
Anker und die Hafenwache zog auf. Sonst hätte ich von 2-4 Uhr
Posten Kajüte gehabt.
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Strait of Georgia - Vancouver
15. März 35
Es wehte ein bitterkalter Wind und es
wurde eine Menge geflucht, wenn die Finger steif wurden. Aber
Reinschiff musste gemacht werden.
Die Landschaft ist wunderschön.
In vielem erinnert es an Alpenlandschaften in der Schweiz. Ich
war überrascht, Vancouver als eine Stadt nach amerikanischem
Muster erkennen zu müssen, mit Wolkenkratzern u.s.w. Wir
gingen sehr nahe unter Land vor Anker. Auf der riesigen Pier
der Canadian Pacific und
einer Hochbrücke war es schwarz von Menschen. Zuerst glaubten wir,
es wären Neugierige. Später erzählten uns die Deutschen, die an Bord
kamen, es seien Kommunisten, die einen Demonstrationszug machen wollten. Auch die abendliche Feier für uns
sollte gestört werden. Aber ich glaube nichts, bis ich mich selbst
überzeugt habe. Heute haben wir Wache, aber morgen werde ich
schon sehen, ob etwas Wahres an dieser Deutschfeindlichkeit
ist. |
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Vancouver 16. März 35
Kühl, sehr kühl war der Blick, mit dem
uns der Arbeiter oder Arbeitslose betrachtete, aber kein Schimpfwort
fiel. Wir gaben den Leuten auch keinen Grund, denn in solchen
Fällen kann sich Hein Seemann mächtig zusammenreißen. Einzig die
Schweden und Norweger waren freundlich zu uns.
Ein Schwede lud mich
zu einem Glas Bier und später zu einem schwedischen Tanzabend ein.
Er sprach gut Deutsch. Wir unterhielten über dieses und
jenes. Hier in Vancouver sind alle Nationen für sich, und alle tanzen gern
neben amerikanischem Foxtrott und Waltz ihre Nationaltänze. Ich
schaute interessiert zu, denn das war etwas Neues für mich.
Auffallend war auch, dass es für alles besondere Geschäfte
gibt. In einem Ballroom oder Speiselokal gibt es z.B. kein
Bier, sondern man muss ein Speziallokal aufsuchen.
Dann war auch nach englischer Sitte Punkt
12 Uhr überall Schluss mit dem Tanz. Die Kapelle spielte "God
save the King", und alle gingen nach Haus. Für uns hatte
es insofern den Vorteil, dass wir ohne uns zu überstürzen
ruhig an Bord gehen konnten. |
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Vancouver 17. März 35
Eine kommunistische Zeitung schrieb:
"The German Cruizer Karlsruhe must go out". Das Ergebnis
war, am Nachmittag wollten 25000 Menschen unseren Kreuzer
sehen. Ich selbst machte zu dieser Zeit eine Autofahrt in die Berge.
Ich muss sagen, selten habe ich so wunderbare landschaftliche
Bilder gesehen, wie sie Kanada bietet. Hohe schneebedeckte
Berge, tiefe Schluchten mit tosenden Wasserfällen und der
immergrüne Wald mit den riesigen, uralten Bäumen formen ein
Bild von unvergesslicher Schönheit.
Wenn man so viele Naturschönheiten zu sehen bekam,
regte sich auch der Naturtrieb im Menschen. Man bekam Hunger.
Darum waren wir gar nicht böse, als wir nach vierstündiger
Autofahrt im Sailor-Institut in North Vancouver ein
anständiges Abendbrot bekamen. Wir sangen viele Lieder,
englische und deutsche, bis es Zeit zum Aufbruch war.
Statt aber hinüber nach Vancouver City zu fahren, wie
die meisten es machten, blieb ich noch auf dieser Seite -
eingeladen von einem deutschen Mädel. Bei ihr zu Hause machten wir es uns
recht gemütlich. Es gefiel mir so entschieden besser als im
Seemannsheim. |
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Vancouver 18. März 35
Der Besucherandrang war so groß wie am
Vortag. Durch nichts ließen die Menschen sich aufhalten, weder
durch Regen und Hagel noch durch das sehr energische Auftreten
der Polizei. Das Publikum war auch entschieden freundlicher geworden.
Scheinbar hat unsere Besatzung einen guten Eindruck gemacht.
Marie,
meine Bekanntschaft von Gestern kam von Nord herüber. Wir gingen
spazieren, aber leider musste sie schon wieder früh nach Hause. Wir
verabredeten uns für Mittwoch Abend zum Tanz.
Abends besuchte ich den Tanzabend der Schotten, die in der
Viktory-Hall ihren St. Patrik Day feierten. Ich amüsierte mich
über ihre Heimattänze und vor allem über ihre merkwürdigen
Uniformen, ihre karierten Röckchen, Gamaschen und
Stöckchen. Wie üblich war auch hier um 12 Uhr Schluss. |
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Vancouver 19. März 35
Wegen der Kälte und vor allem wegen des scharfen Windes wurde unser
Bordfest, das sonst auf der Hütte und Schanze stattfindet, ins
Zwischendeck verlegt. Es wird wohl gedrängt voll aber auch
gemütlich gewesen sein. Da unsere Division Hafenwache hatte, konnte
ich an dem gemütlichen Gedränge nicht teilnehmen. Das Bergen der
Sonnensegel, die trotzdem gesetzt worden waren, war ziemlich
anstrengend, weil sie vom Regen und Hagel ganz steif geworden
waren. |
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Vancouver 20. März 35
Manchmal kommt mir das Leben vor wie ein
Narrenspiel: Warum lernte ich am letzten Tag die Frau
kennen, die ich von Anfang an gesucht habe?
Else war unter den
Besuchern, die an Bord wollten. Ich sah von der Back dem
Treiben zu, bis sich plötzlich unsere Augen trafen. Ohne
Übertreibung kann ich behaupten, dass mich eine Art freudiger
Schreck durchfuhr. Wie sie mir später verriet, ging es ihr
nicht anders. Es durften nur persönliche Besucher an Bord,
darum holte ich sie von der Stellung ab. Bei der Führung
durch das Schiff wurden wir sehr rasch vertraut. Als wir von
Bord gingen, waren wir wie ein Liebespaar. Um die wenigen
Stunden, die uns noch zur Verfügung standen, restlos
auszufüllen, trafen wir die Abmachung, nicht an die Zukunft
zu denken. Es hätte uns nur melancholisch gestimmt. Getreu
diesem Vorsatz waren wir sehr lustig, und ich erzählte ihr
von meiner bisherigen Fahrt. Ich habe schon öfters davon
erzählt, aber nie kam mir alles so beschwingt vor wie
diesmal, weil Else mir mit leuchtenden Augen zuhörte und
impulsiv die Hände drückte.
Ja, wir hatten beide mächtig
viel Feuer gefangen. In ihrem Heim kam es, wie es kommen
musste. Wir küssten uns heiß und innig. Else ist eine
bezaubernd Frau. An diesem Tage erkannte ich, dass es nicht
notwendig, sich lange zu kennen, um glücklich zu sein.
Vielleicht lässt sich darüber streiten, ob der Rausch des
Augenblicks oder die lange Freundschaft das größere Glück
ist. Wir waren jedenfalls vollkommen glücklich, und ich werde
diese Frau nicht so rasch vergessen. Um auch zusammen getanzt
zu haben, gingen wir für kurze Zeit in einen
Dancing-Room. Auch hier beim Waltz zeigte es sich, wie gut wir
zusammen passten. Beim Nachhauseweg gingen wir ganz
aneinandergedrückt und sagten uns viele liebe und zärtliche
Worte.
Beinahe hätte ich noch den Weg zum Schiff verfehlt, so
wenig achteten wir auf unsere Umwelt. Ein Kamerad machte mich
noch rechtzeitig darauf aufmerksam. Beim Gutenachtkuss presste
Else mich an sich, als ob sie mich nie von sich lassen wollte.
Lange schaute ich ihr nach, bis das Dunkel der Nacht ihre
schlanke, elegante Figur aufnahm.
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Vancouver 21. März 35
Unumstößlich stand unsere Abfahrt fest.
Der Soldat muss sich von allem trennen können, das Herz wird nicht
gefragt.
Aber eine volle Viertelstunde durfte ich noch mit Else zusammen sein,
bis mich der "Alle Mann an Bord"- Pfiff unerbittlich von
meinem Mädel trennte. Mit Tränen in den Augen gaben wir uns den
Abschiedskuss. Getreulich hielt sie aus, als sich die
"Karlsruhe" von Land löste. Else sah uns nach, bis wir zurück in die
Georgia-Straße einfuhren.
Wie die Kameraden erzählten, hatten die Kommunisten für uns
gestern einen Ball veranstaltet. Sie taten alles, um uns den Abend
so recht abwechslungsreich und schön zu gestalten. So sehr hatten
sie ihre Meinung geändert. Ich glaube, dass wir dieses als einen
großen Erfolg verbuchen können.
Ich hoffe bestimmt, nicht zum letzten Mal in Vancouver gewesen
zu sein, meiner Else habe ich es auch fest versprochen.
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