6. Magellanstraße - Smyth-Canal bis Poerto Montt

Magellanstr., Chile u. Puerto Montt


In See 29. Dez. 34

Das Wetter ist weiterhin herrlich und die See nicht sehr bewegt. Drei Tage bis zur Magellanstraße, dann fahren wir nur tagsüber und nachts wird geankert, weil das Wasser zu gefährlich ist.

Heute wurde davon gesprochen, dass die vierjährige Dienstzeit in Deutschland eingeführt ist. Natürlich ist es noch nicht offiziell. 

Ich bin froh, in Montevideo Freunde mit guten Beziehungen gewonnen zu haben. Vielleicht können sie mir später sehr nützlich sein.

 

In See 30. Dez. 34

Die vierjährige Dienstzeit wurde Tatsache, eher als angenommen. Am Nachmittag unterschrieb der 33. Jahrgang  den neuen Verpflichtungsschein, wonach wir noch bis September 1937 verpflichtet sind. Eine schöne Neujahrsüberraschung! An allen Backen wird eifrig der Fall besprochen.

Es wurde auffallend kühl und windig. Die See zeigte kleine Schaumköpfe. Es sind die ersten Sendboten von Kap Horn, dem wir aber dieses Mal ein Schnäppchen schlagen und in die Magellanstraße einfahren werden.

 

In See 31. Dez. 34

Es ist ausgesprochen kalt und stürmisch geworden. Die üblichen Sturmsicherungen, Strecktaue spannen, Panzerblenden vor die Bullaugen u.s.w. wurden getroffen. Unter diesen "bewegten Umständen" hatte natürlich niemand Lust, besondere Vorbereitungen für die Silvesterfeier zu treffen. Trotzdem unterhielten sich die Jungens ganz gut. Aber es war natürlich alles nicht das Richtige. 

Um 6 Uhr, als sich in Deutschland viele tausend Hände zum Glückwunsch für das neue Jahr fanden, wurde bei uns durch den Schiffssender Glockengeläut und ein Choral übertragen. Ich dachte heute mehr denn je an Annemarie und wie glücklich wir gewesen sind.

 

Smyth-Canal 2. Jan. 35

Beim Wecken, als ich meine Nase an Oberdeck zeigte, bot sich ein ungewohnter Anblick: Das Fahrwasser ganz schmal,  schneebedeckte Berge und wildzerklüftete Felsen! Es sind die südlichen Ausläufer der Cordelleren. Kein Mensch oder Tier ist zu entdecken. Jeden Augenblick bot sich ein anderes, fesselndes Bild, aber zum Wohnen oder Leben scheint die Gegend sehr ungeeignet zu sein. Am Morgen hatten wir die Magellanstraße verlassen, die weiter südlich führt,  und fuhren nun im Smyth-Canal wieder nordwärts. Abends wurde in einer kleinen Bucht geankert.

 

Smyth-Canal 3. Jan. 35

Bei "Anker Auf" bezog ich den Ausguck auf dem Vormars. Es war zwar sehr luftig,  gab dafür aber auch viel Natur zu sehen. Gegen Mittag durchfuhren wir mit alle Mann auf Verschlussstation die gefährlichste Stelle der Durchfahrt. Die Fahrstraße wurde ganz schmal und machte kurz hintereinander zweimal einen rechten Winkel. Es gehörte also viel navigatorisches Talent dazu, unseren langen Kahn hier heil durch zubekommen. Es ging alles gut. Ein amerikanischer Kreuzer hatte sich vor einigen Jahren auf Dreck gesetzt. Gegen Abend erreichten wir die offene See und waren nun im Golf von Penas. Viele Bilder von hinreißender und wildromantischer Schönheit sind an uns vorübergeglitten. Die Fotos werden uns noch oft daran erinnern.

 

Golf von Penas 4. Jan. 35

Das Wetter war regnerisch, kalt und neblich. In kurzen Zeitabständen heulte unsere Sirene. Es hörte sich schaurig an. Der Regen und der kalte Wind machten die Einlaufvorbereitungen zu keinem Vergnügen. Wir fuhren immer in Sicht von Land. Nachmittags waren wir schon in der Straße von Corcovado und ankerten. Nur einige Fahrstunden trennen uns von Puerto Montt. Unser Ziel war erreicht, 2000 sm in 7 Tagen. Bei unserer Ausfahrt von Montevideo zweifeltelten viele daran, dass wir pünktlich in Poerto Montt ankommen würden, aber wir haben es geschafft.

 

Poerto Montt 5. Jan. 35

Meine Annahme, wir ankerten in See, war irrig. Heute morgen musste ich feststellen, dass wir schon im Hafen von Poerto Montt lagen. Wahrscheinlich sind wir wegen des schlechten Wetters eingelaufen, sonst richten wir uns peinlich genau nach unserem Reiseplan. Poerto Montt wurde von den Deutschen gegründet und die sind auch die Hauptstützen hier, sonst wäre schon alles verkommen. Die Häuser sind aus Holz, weil es hier 70% des Jahres regnet und Steinhäuser immer feucht wären. 

Abends war Ball im deutschen Verein. Wie üblich musste man hier viel trinken und wurde systematisch zum Säufer ausgebildet. Zwei Schwestern, ausgesprochen deutsche Typen, blond und blauäugig, lernte ich kennen, deren Großeltern aus Deutschland stammten. Obwohl die Mädchen kein Wort deutsch sprachen, verstand ich mich aber ganz gut mit ihnen.

 

Poerto Montt 6. Jan. 35

Heute ist Sonntag und unsere Division hatte Wache. Das Schiff war zur allgemeinen Besichtigung frei gegeben und 1500 Besucher erschienen und liefen im Laufe des Nachmittags über das Schiff. Ich hatte Gelegenheit am Fallreep das Gedränge zu beobachten. Die meisten kamen mit kleinen Bumbooten. Da kann man sich denken, was da für ein Konkurrenzkampf um das Fallreep entstand. Es  sah manchmal recht böse aus, aber dann löste sich alles wieder in Wohlgefallen auf.

 

Poerto Montt 7. Jan. 35

Es sind wieder einige Abordnungen ins Innere von Chile gefahren. Hier im Ort waren keine Veranstaltungen. Ich hatte eine deutsche Familie Ringler kennen gelernt. Bei Ihnen verbrachte ich den Abend ganz gut. Wir sprachen viel über Deutschland und über Adolf Hitler und vergaßen auch das Trinken nicht, denn Herr Ringler hatte einen guten Wein im Haus.

 

Poerto Montt 8. Jan. 35

Im "Vergnügungsviertel" von Poerto Montt war auch nichts los, aber wenn der Seemann in Fahrt kommt, dann ist bestimmt was los. Im "Kabarett Milan", eine Bretterbude, tanzten wir den Ranchera, dass den Mädels Hören und Sehen verging. Lulu, ein feuriges Geschöpf, hatte es mir angetan. Ich bemühte mich um das Mädel, eigentlich das erste Mal seit langem, und ich hatte  Erfolg. Sie war sehr zärtlich zu mir, und auch mir machte es viel Freude, mit ihr zusammen zu sein.

 

Poerto Montt 9. Jan. 35

Ich hatte Familie Ringler versprochen, den letzten Abend bei ihnen zu verbringen. Ich nahm noch einige Kameraden mit, weil wir deutsche Lieder singen sollten. An diesem Abend sang ich das erste Weihnachtslied, denn im Wohnzimmer stand noch der geschmückte Weihnachtsbaum, natürlich keine Tanne. Die Kerzen waren bis zu diesem Abend verwahrt worden. So sangen wir bei ihrem Schein "Stille Nacht" und noch andere Lieder. Familie Ringler war zu Tränen gerührt, aber dass in mir irgendwelche rührseligen Gefühle entstanden, kannn ich nicht sagen.

 

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