5. bis Montevideo

Uruguay u. Montevideo


Ithajahi (Itajai) 18. Dez. 34

Wieder an Bord merkten wir wie doch, dass Festefeiern anstrengt. Kaum angekommen fielen wir um wie die Fliegen und schliefen fest und traumlos. Als "Rise-Rise" gepfiffen wurde schwammen wir wieder auf offener See, Montevideo entgegen. Jeder freie Moment musste jetzt zum Schlafen genutzt werden, um Kräfte zu sammeln, denn Freitag laufen wir ein.

 

In See 19. Dez. 34

Da ich ja diesen Monat in die Bäckerei abkommandiert bin, musste ich um drei Uhr wieder aufstehen, denn um sechs Uhr sollten ungefähr 6 - 700 Brötchen gebacken sein. Da hieß es rangeklotzt, war es doch schwer die Augen aufzuhalten. Der ältere Kamerad, mit dem ich arbeitete, stöhnte auch ab und zu. Er war ebenfalls in Blumenau

In den letzten Tagen und Wochen sind derartig viele Eindrücke auf mich eingedrungen, dass es schwer ist, alles recht zu würdigen und ins Tagebuch zu schreiben. 

Heute sollte eigentlich Artillerie-Schießen sein, doch der Seegang verhinderte das Aussetzen des Scheibenfloßes.

 

In See 20. Dez. 34

Noch fünf Tage bis Weihnachten, aber kein weihnachtliches Gefühl kommt auf, fehlen doch die Voraussetzungen, Schnee, Eis und vor allem der Weihnachtsbaum.

Das Schießen fand heute statt. Das Floß wurde ausgesetzt, und es zeigte sich nachher, dass wir gut schießen können. Die Scheibe war recht 'mitgenommen'.

 

Montevideo 21. Dez. 34

Um 10 Uhr liefen wir in Monevideo ein und machten am Kai fest. Es waren viele Deutsche zur Begrüßung gekommen, wir freuten uns auch darüber, aber so allmählich wird man das gewöhnt. Gleich bei "An Land gehen" lernten wir ein paar  nette Jungen kennen, die aber auch kein Geld hatten. Wir zogen durch die schlimmsten Kneipen, aber es war nichts. Die Mädels waren zu sehr auf Nepp eingestellt. In Brasil hat es mir besser gefallen, denn es herrschte überall in derartigen Häusern und Lokalen ein gemütlicherer Ton. Montevideo selbst hat nichts Außergewöhnliches an Bauwerken u.s.w. Nur am Strand, wo auch die Reichen wohnen ist  eine sehr schöne Promenade. Montevideo  ist nicht Rio de Janeiro!

 

Montevideo 22. Dez. 34

Heute war großes Bordfest. Das gewohnte Bild. Die Leute drängeln über das Schiff, tun sehr klug und im Grunde verstehen sie nichts. Abends besuchten wir die besseren Lokale. Man kann gut und billig essen. Ich war heute zu keiner Festlichkeit abgeteilt und konnte so über meine Freizeit verfügen. Im "Skala Dancing" wurden wir mit 'Halloh' empfangen. Es gab Freibier für uns, so viel wir wollten.

 

Montevideo 23. Dez. 34

Erst backten wir Weihnachtsstollen, schon seit gestern, für die Besatzungsmitglieder. Dann ging ich wieder zu dem Wirt der "Scal Dancing", mit dem ich sehr gut bekannt geworden bin. Wir machten eine Autofahrt durch und um Montevideo herum. Nur das Zentrum setzt sich aus mehrstöckigen und Hochhäusern zusammen. Etwas weiter heraus stehen nur Einfamilienhäuser. Es ist eine Eigenart der Leute, jeder will für sich wohnen, und daher ist die Stadt so weitläufig geworden.

Ich hätte nicht geglaubt, dass sich Tänzerinnen in mich verlieben würden, aber die erste in der Varietenummer von der "Scala" ist restlos in mich verschossen. Wie ich aber selbst fühlte und was mir auch von anderen übersetzt wurde, war es so. Sie ist ein wirklich rassiges Weib. Wir waren den ganzen Abend zusammen, und später beim Variete tanzte sie nur für mich. Ich bin gespannt, wie lange diese Liebe anhält.

 

Montevideo 24. Dez. 34

Heute ist Heiligabend. Die Kombüse und Bäckerei arbeitete bis spät abends an den Weihnachtsvorbereitungen. Später hatte ich keine Lust mehr an der Weihnachtsfeier unten im Deck teilzunehmen. Ich legte mich irgendwo schlafen, dachte an zu Hause und an Annemarie, ohne aber sentimental zu werden.

 

Montevideo 25. Dez. 34

Meine Freizeit an Land verbrachte ich fast nach einem festen Programm. Nachmittags, wenn ich an Land ging, wurde ich vom Wirt abgeholt zu einer kleinen Fahrt irgendeiner Ecke Montevideos und dann wurden eine Menge Chops genommen. Die "Scala" hat das beste Bier von Montevideo.  Die Stimmung war dann schon gut. Nach dem Abendbrot in einem guten Lokal fuhren wir zurück zur "Scala". Hier konnte ich tun und lassen, was ich wollte, denn der Wirt musste sich um das Geschäft kümmern. Die so plötzlich aufgeflammte Liebe der Tänzerin Ilona war wieder ziemlich erloschen und bei mir auch. Ich hatte es nicht anders erwartrt.  Mein Herz war hierbei nicht beansprucht, obwohl ich sonst leicht verliebt bin.

 

Montevideo 26. Dez. 34

Unser Programm wurde durch eine Nuance bereichert. Das Wetter war herrlich, wie schon die ganzen Tage. Was lag näher, als dass wir zum Baden fuhren. Zwar verlangt die Polizeivorschrift auch für Herren Badeanzüge mit Röckchen, aber dieses Mal ging es auch so. Der Strand und das Wasser waren wunderbar. Abends lernte ich Herrn Brand einen Deutschen aus Wanne-Eickel kennen. Er hatte schon jahrelang nichts mehr von zu Hause gehört und bat mich, nach dem Rechten zu sehen. Ich versprach es ihm gern und werde auch den Brief mit Bildern seiner kleinen Tochter an seine Eltern abliefern. Er ist mit einer Spanierin, einer netten und zierlichen Frau verheiratet und hat ein herziges Töchterchen. Ich bin überzeugt einen Freund gewonnen zu haben, der auch gute Beziehungen zur Regierung hat - wie er sagt. 

 

Montevideo 27. Dez. 34

Statt Bier in der "Skala" zu trinken fuhren wir heute raus zum Ruderklub und tranken dort einen erstklassischen Wein, natürlich durch Vermittlung von Herrn Brand, der ein gerngesehenes Mitglied ist. Die Wirtsleute, auch sehr freundlich und gemütlich, setzten sich zu uns, und nach kurzer Zeit tagte eine fröhliche Tafelrunde. Wir sprachen auch über die Verhältnisse in Uruquay und Deutschland. Immer wieder musste ich hören, keiner wollte nach Deutschland zurück. Wenn auch die Zeiten hier augenblicklich nicht sehr rosig sind, so haben doch alle ihr gutes auskommen.

Der Leiter der Varietetruppe in der 'Skala' wollte mich unbedingt überreden, hier zu bleiben und in seine Truppe einzutreten. Er hatte mich beim Tanzen beobachtet und glaubte, in mir steckt ein gutes Tanztalent.

 

Montevideo 28. Dez. 34

Es war vorgesehen, dass wir bis zum 2. Januar bleiben. Unser Besuch wird aber hier und in unserem nächsten Hafen Puerto Monte abgekürzt, damit wir rechzeitig zur Vierhundertjahrfeier in Lima sind. Für 18 Uhr war 'Seeklar' befohlen und Urlaub gab es nur bis halb 5. In dieser Zeit lernte ich den ersten Dortmunder kennen und musste ihm alles über seine Heimat erzählen. Er ist allerdings schon lange von Dortmund fort, aber trotzdem erinnerte er sich an alles. Ich musste ihm von den Veränderungen und Neuerungen erzählen. Nun bedauerte ich doppelt, dass ich nicht über Neujahr hier bleiben konnte. Es wäre ein großartiges Fest geworden. 

Herr Brand und Frau nebst Töchterchen kamen zur Abfahrt des Schiffes, und wir unterhielten uns noch über die Zukunft. Sie hielten getreulich bis zur Abfahrt aus, obwohl sich diese etwas verzögerte. Auf Brand kann ich mich immer verlassen.  

 

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