1. Kiel bis Ponta Delgada Azoren

Azoren u. Ponta Delgada


22.10.34 Kiel

Es ist ein feuchtkalter Herbstmorgen. Ich komme von Annemie, noch ganz erfüllt von ihrer tapferen Zärtlichkeit, melde mich an Bord und muss gleich als Posten am Tor aufziehen. Punkt 10 werfen wir die Leinen los.

Die Ehrenkompanie präsentiert ein endloses Tücherschwenken auf dem ganzen Hindenburg-Damm und auf den Brücken, die Ufa-Wochenschau filmt eifrig, unsere Bordkapelle spielt den "Badenweiler", das Deutschland- und Horst-Wessel-Lied.

In der Nähe der Hafenausfahrt passieren wir das Segelschulschiff "Gorch Fock. Es hat uns zu Ehren voll gebrasst, die Besatzung entert in die Wanten auf und verabschiedet uns mit drei Hurrahs. Weiter draußen passieren wir unser Schwesterschiff die "Königsberg". Auch hier drei Hurrahs. Als letztes Zeichen unserer deutschen Wehrhaftigkeit kommt uns der Kreuzer "Emden" entgegen. Auch hier Paradeaufstellung, drei Hurrahs und die Signale "Frohe Fahrt" und "Gückliche Heimkehr"

... aber dann wollen sich die Kleinsten der deutschen Flotte verabschieden. In brausender Fahrt mit hoher Bugwelle, man hört nur das Singen der Hochleistungsmotoren, überholen uns und fahren dann ein schneidiges Durchbruchmanöver dicht unter unserem Heck. Ununterbrochen signalisieren sie uns Abschiedsgrüße. Ein ganz fabelhaftes Bild.

In der Nacht umfahren wir Skagen. Ich ziehe als Posten 'Rettungsboje' auf. Ein sehr wichtiges Amt, denn er ist derjenige, der sein Augenmerk stets nach achtern ins Wasser richten muss, um auf außenbords gegangene Kameraden zu achten.

23.10.34 In See

Am anderen Morgen fahren wir immer noch an Dänemarks Küste entlang. Gegen Mittag wird die Dünung stärker. Wir haben Nordseewasser vor dem Bug. Unser Schiff hebt sich langsam und regelmäßig als ob es atmet. Nachmittags haben wir die ersten Seekranken. Auch ich habe zu leiden. Bin froh, als nach der Ronde (Kontrollgang) "Klar bei den Hängematten" gepfiffen wird.  

24.10.34 In See

Der Himmel ist klar. Mein Befinden hat sich gebessert. Meine ersten Gedanken beim Erwachen sind bei Annemarie. Ich habe eine große Sehnsucht und vermissse ihre zärtliche Fürsorge.

Der Morgen vergeht im strammen Gefechtsdienst. Gegen Mittag sichten wir das Terschelling Feuerschiff. Die Schiffsuhren werden täglich eine halbe Stunde zurück gestellt. Langsam nähern wir uns dem Eingang des Kanals. Wir fahren schon seit gestern mit Marschturbinen und einer steten Fahrstufe von 12 Seemeilen. Ganz phantastisch sieht das Meer bei Mondschein aus. Das bleiche Licht bricht sich in der Unendlichkeit des Meeres. Wie schön muss so eine Nacht erst in den Tropen sein!

25.10.34 In See

Im Laufe des Morgens passieren wir die Meerenge Dover-Calais. Der heutige Tag fängt gut an. Gleich beim Wecken werde ich zum Hängemattenstauen verdonnert, weil ich mich im Waschraum gewaschen habe. Wir müssen unsere Bullaugen geschlossen halten. Gegen Abend erwartet man dicke Brocken, aber die Sonne scheint noch. Plötzlich wird durchgepfiffen "die 'Bremen' voraus in Sicht", und schon rauscht das stolze Schiff an uns vorüber. Von beiden Seiten wird eifrig gewinkt und geknipst. Am Nachmittag beobachte ich von meinem Posten 3 englische U-Boote, einen Zerstörer und zwei Marineflieger. Es waren die ersten U-Boote, die ich je gesehen habe.

Die See wird immer gröber. Strecktaue werden gespannt, die Panzerblenden vorgemacht und verboten, das Oberdeck zu betreten. Die ersten Brecher gehen schon über die Schanze. Ich glaube, man kann auch auf unseren Kreuzern von Seefahrt sprechen.

26.10.34 In See

Heute morgen fahren wir an der Südspitze Englands und den Skilly Inseln vorbei. Nur gut, dass das Stürmchen gestern Abend und heute Nacht ziemlich rasch wieder abflaute. Beim Gefechtsdienst umfliegt uns ein schwerer englischer Bomber. Die Dünung ist gewaltig. Das Meer sieht ganz ruhig aus, doch schlingern wir derart stark, dass die Seitendecks und die Schanze zeitweise Wasser übernehmen.

27.10.34 In See

Das Schlingern hält an. Beim Essen ist das der reinste Zirkus. Wenn man nicht aufpasst, wandert das Backsgeschirr und die Esswaren im Deck umher.

Der Pfarrer hielt uns heute einen Vortrag über die Azoren. Er führte u.a. aus, dass ihnen in Zukunft eine wichtige Rolle im transatlantischen Fluverkehr zufällt. Damit wird auch wohl unser Besuch zusammenhängen, denn sonst sind die Inseln aller Wahrscheinlichkeit ziemlich unbedeutend.

28.10.34 In See

Heute Morgen war der Gottesdienst schlicht und schön. Das Schiff musste beidrehen, um einigermaßen ruhig zu liegen. Später gingen wir wieder auf alten Kurs und sind noch etwa 550 Seemeilen von den Azoren entfert. Bei meinen Kameraden sind die letzten Kieler Erlebnisse durchgesprochen, und sie befassen sich schon mit unseren kommenden Reisezielen, mit unserem ersten Hafen Ponta Elgada. Ein klangvoller Name heißt in der Übersetzung nur 'enge Brücke'.

Ein Heizer erzählte uns im Vertrauen, dass die Maschinen ziemlich viel repariert werden müssen. Ich glaube, im Laufe der Reise werden wir noch viel Ärger damit haben. Gegen Mittag waren wir auf der Höhe von Finisterre.

29.10.34 In See

Ab heute ist wieder weiße Mütze angeordnet. Die Temperatur ist wie in Deutschland im Hochsommer. Seit dem Morgen fahren wir schon mit 'Max und Moritz', unseren Ölmotoren, und machen kaum Fahrt. Mittags waren wir auf der Höhe von Lissabon.

30.10.34 In See

Wir umfahren langsam die Insel San Miguel, die wir morgen anlaufen werden. Schon von früh an großes Reinschiff und Malen. Manchmal kommt mir diese aufgeregte Bienenfleißigkeit ein wenig lächerlich vor, besonders wenn man einen Vorgesetzten hat, der stets die Übersicht verliert und nun seine Unsicherheit durch ein besonders großes Mundwerk auszugleichen versucht.

31.10.34 - 06.11.34 Ponta Delgada (Azoren)

Gegen 10 Uhr fuhren wir in den Hafen von Ponta Delgada ein, Nachdem beim Passieren der Festung der übliche Landessalut von 21 Schuss gewechselt worden war. Das Manöver beim Festmachen gestaltete sich ziemlich schwierig, da infolge unserer Länge der Platz zwischen den Bojen nicht reichte.

Nach 'Klar Deck' machte sich natürlich alles auf dem schnellsten Wege landfein und dann an Land. Was dieses Nest bietet ist mit einer deutschen Kleinstadt zu vergleichen, nur dass das Lasterleben viel ausgeprägter ist, natürlich als Hafenort mit spanischem Einschlag. Ich war wieder früh an Bord.

 

1.11.34 Ponta Delgada

Trotzdem ging ich heute wieder an Land. Es war Allerheiligen und ich besuchte eine Kirche. Ich war von der Pracht innen geblendet. Alles strotzte von Gold. Später geriet ich mit einigen Kameraden unversehens in so eine Art 'Musikjünglingsklub'. Wir verständigten uns auf primitive Art durch Zeichensprache und die Jungen gaben sich Mühe, uns von ihren musikalischen Qualitäten zu überzeugen. Zum Dank sangen auch wir einige Lieder: 'Blau ist das Meer' u.s.w. Sonnabend sollen sie uns an Bord besuchen, denn sie haben einen netten Eindruck gemacht. Junge Mädchen sieht man eigenartigerweise nur in Begleitung ihrer Eltern oder ihrer Brüder.

 

 

 

2.11.34 Ponta Delgada

Unsere Division besuchte heute eine Ananasplantage. Auf dem Weg durch's Städtchen wurde kräftig gesungen, was auch seine Wirkung bei den Leuten nicht verfehlte.

3.11.34 Ponta Delgada

Während der Besuchszeit auf dem Schiff konnte ich die Leute beobachten. Schlechte Manieren haben sie alle, spucken überall hin und laufen durchweg barfuss. Aber bei den Melizsoldaten sieht man manch schmuckes Kerlchen, doch keine Spur von militärischem Schliff.

4.11.34 Ponta Delgada

Heute wollte ich meine letzten Eskudos in Wein umsetzen. Ist mir leider nicht gelungen, denn in dem 'National Cafe' waren so viele nette junge Leute, die unbedingt für uns bezahlen wollten. Zum Schluss hatten wir alle einen anständigen Schwipps.

5.11.34 Ponta Delgada

Der Wein ist gut, aber man hat am nächsten Tag einen Brummschädel. Die Jungens sind unsere Freunde geworden. Heute Abend haben sie uns wieder eingeladen. Es war ganz unterhaltsam, denn wir machten so eine Art improvisierten Sprachunterricht. Als es auf 12 Uhr ging schenkten sie uns noch eine gute Flasche Wein und unter vielen Umarmungen, wie es hier so Sitte ist, verabschiedeten sie sich von uns.

6.11.34 Ponta Delgada

Für 9 Uhr war 'Seeklar' befohlen. Unsere Freunde fuhren noch einmal ums Schiff und wünschten 'Gute Reise'. Das Auslaufen war weniger feierlich, denn es goss in Strömen. Kaum hatten wir den freien Atlantik erreicht, so schaukelten wir schon wieder, dass es eine Freude war. Ich muss überhaupt feststellen, dass unser Kreuzer infolge seiner schlanken Bauart sehr leicht ins Schlingern gerät.

 

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