23.10.34 In See
Am anderen Morgen fahren wir immer noch an Dänemarks
Küste entlang. Gegen Mittag wird die Dünung stärker. Wir
haben Nordseewasser vor dem Bug. Unser Schiff hebt sich
langsam und regelmäßig als ob es atmet. Nachmittags haben
wir die ersten Seekranken. Auch ich habe zu leiden. Bin froh,
als nach der Ronde (Kontrollgang) "Klar bei den
Hängematten" gepfiffen wird.
24.10.34 In See
Der Himmel ist klar. Mein Befinden hat sich gebessert.
Meine ersten Gedanken beim Erwachen sind bei Annemarie. Ich
habe eine große Sehnsucht und vermissse ihre zärtliche
Fürsorge.
Der Morgen vergeht im strammen Gefechtsdienst. Gegen Mittag
sichten wir das Terschelling Feuerschiff. Die Schiffsuhren werden
täglich eine halbe Stunde zurück gestellt. Langsam nähern wir uns
dem Eingang des Kanals. Wir fahren schon seit gestern mit
Marschturbinen und einer steten Fahrstufe von 12 Seemeilen. Ganz
phantastisch sieht das Meer bei Mondschein aus. Das bleiche Licht
bricht sich in der Unendlichkeit des Meeres. Wie schön muss so eine
Nacht erst in den Tropen sein!
25.10.34 In See
Im Laufe des Morgens passieren wir die Meerenge
Dover-Calais. Der heutige Tag fängt gut an. Gleich beim
Wecken werde ich zum Hängemattenstauen verdonnert, weil ich
mich im Waschraum gewaschen habe. Wir müssen unsere Bullaugen
geschlossen halten. Gegen Abend erwartet man dicke Brocken,
aber die Sonne scheint noch. Plötzlich wird durchgepfiffen
"die 'Bremen' voraus in Sicht", und schon rauscht
das stolze Schiff an uns vorüber. Von beiden Seiten wird
eifrig gewinkt und geknipst. Am Nachmittag beobachte ich von
meinem Posten 3 englische U-Boote, einen Zerstörer und zwei
Marineflieger. Es waren die ersten U-Boote, die ich je gesehen
habe.
Die See wird immer gröber. Strecktaue werden gespannt,
die Panzerblenden vorgemacht und verboten, das Oberdeck zu
betreten. Die ersten Brecher gehen schon über die Schanze.
Ich glaube, man kann auch auf unseren Kreuzern von Seefahrt
sprechen.
26.10.34 In See
Heute morgen fahren wir an der Südspitze Englands und
den Skilly Inseln vorbei. Nur gut, dass das Stürmchen gestern
Abend und heute Nacht ziemlich rasch wieder abflaute. Beim
Gefechtsdienst umfliegt uns ein schwerer englischer Bomber.
Die Dünung ist gewaltig. Das Meer sieht ganz ruhig aus, doch
schlingern wir derart stark, dass die Seitendecks und die
Schanze zeitweise Wasser übernehmen.
27.10.34 In See
Das Schlingern hält an. Beim Essen ist das der reinste
Zirkus. Wenn man nicht aufpasst, wandert das Backsgeschirr und
die Esswaren im Deck umher.
Der Pfarrer hielt uns heute einen Vortrag über die Azoren. Er
führte u.a. aus, dass ihnen in Zukunft eine wichtige Rolle im
transatlantischen Fluverkehr zufällt. Damit wird auch wohl unser
Besuch zusammenhängen, denn sonst sind die Inseln aller
Wahrscheinlichkeit ziemlich unbedeutend.
28.10.34 In See
Heute Morgen war der Gottesdienst schlicht und schön.
Das Schiff musste beidrehen, um einigermaßen ruhig zu liegen.
Später gingen wir wieder auf alten Kurs und sind noch etwa
550 Seemeilen von den Azoren entfert. Bei meinen Kameraden
sind die letzten Kieler Erlebnisse durchgesprochen, und sie
befassen sich schon mit unseren kommenden Reisezielen, mit
unserem ersten Hafen Ponta Elgada. Ein klangvoller Name heißt
in der Übersetzung nur 'enge Brücke'.
Ein Heizer erzählte uns im Vertrauen, dass die Maschinen
ziemlich viel repariert werden müssen. Ich glaube, im Laufe der
Reise werden wir noch viel Ärger damit haben. Gegen Mittag waren
wir auf der Höhe von Finisterre.
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